Atalja hat mir Angst gemacht. Sie war mir nicht geheuer. Sie schien mir hart. Und ihr Ehrgeiz schien keine Grenzen zu haben. Atalja habe ich als zu Machtgierig empfunden. Irgendwann aber dachte ich, während ich die Geschichte für euch schrieb: mit meinem Gefühl stimmt doch etwas nicht! Denn wäre Atalja ein Mann gewesen, und keine Frau, nichts an ihrer Geschichte hätte mich irritiert. Oder?
Ob du Atalja als Vorbild nehmen kannst oder es abschreckend findest, wie sie sich verhält. Diese Frau zeigt eines: Frauen müssen nicht so sein, wie sie seit Jahrhunderten in unserer Kultur erzogen werden. Wie ich es wurde. Und wenn du weiblich gelesen wirst, wahrscheinlich auch du. Frauen müssen nicht “lieb” und “gehorsam” sein. Nicht “schön liebreizend” und “still”. Atlaja repräsentiert uns die dunkle Seite, die auch in Frauen steckt. Nicht nur in Männern. Und von ihrer Familie kennt sie auch nur diesen Umgang mit Macht. Atalja wurde anders geprägt, als du und ich.
Ihr Glaube hatte matriarchalische Kulturformen. Nicht männlich dominiert, sondern weiblich waren die Gottheiten. Die Priesterinnen lebten den Glauben praktisch. Und diese Kulturformen wollte sie gegen den Glauben der Israeliten an ihren Gott, unseren Gott, durchsetzen.
Atalja ging dabei radikal und brutal vor. Das kann ich nicht als Vorbild nehmen. Aber ich kann anerkennen, dass sie schon als Mädchen wusste, was sie will. Dass sie zielstrebig daran gearbeitet hat und ihr Ziel nicht aus den Augen verlor. Sie ließ sich nicht unterkriegen nach der Heirat und Geburt des Sohnes. Und auch dass sie ihrem Glauben treu blieb, allein in der Fremde, das beeindruckt mich. Denn wie schnell hätte der auch verloren gehen können, ohne Glaubensgemeinschaft?