Delila- alle Fäden in der Hand

Als ich den Text zu Delila schrieb, da hatte ich das Gefühl, sie sei eine Verräterin. Aus irgendeinem Grund war Simson für mich der Held, der in eine Falle getappt war. Eine Falle, die die reizende Delila ihm gestellt hatte. Doch dann wurde mir schmerzhaft bewusst: ich war in eine Falle getappt! Und zwar so richtig mit beiden Füßen! Ahnst du welche? Bist du es vielleicht auch?

Wie eine traurige Nebenfigur wird sie dargestellt. Die schöne Frau, die der Versuchung nach Geld erliegt und sogar ihre Liebe verrät. Oft wird Delila so charakterisiert. Ja, das ist übrigens die Falle, in die ich getappt bin: in einer männerdominierten Bibelauslegung ist das nicht unüblich. In der Vergangenheit blieb von Delila nicht mehr als die Verräterin oder Intrigantin. Ihr Handeln ist moralisch fragwürdig und scheinbar prostituiert sie sich für Geld.

Abgesehen davon, dass in dieser Geschichte mal wieder der Frau an allem die Schuld gegeben wird und der arme Mann gar nichts dagegen tun kann, dass er ihr sein Geheimnis verrät, geht es bei Delila doch um viel mehr und ganz was anderes: um ein zentrales theologisches Problem. Denn was tut Simson, außer ihren erotischen Reizen zu erliegen? Er verrät sein Gottesverhältnis! Er verrät ihr seine besondere Beziehung zu Gott und das einmalige Geschenk, dass dieser ihm gemacht hat. Simson ist zur Rettung des Volkes berufen, schon seit dem Mutterleib. Aber er scheint unwürdig.

Klar, es war für die männlichen Schreiber und Exegeten einfach, der Frau für all das die Schuld zu geben. Aber Simson allein, und nur er allein trägt für sein Handeln die Verantwortung. So wie auch du und ich es tun. Und wie zumindest ich meine Kinder erziehe: egal was die anderen tun, bleib bei dir und dem, was du vertreten kannst. Tja, und Simson konnte vertreten, einer Frau aus dem feindlichen Land sein Geheimnis anzuvertrauen. Der Preis war Sex. Auch das, nicht verwerflich. Denn Prostitution ist Arbeit und Beruf.

Simson allein trägt die Schuld. Und Delila? Ich weiß nicht, wieso sie Simson verraten hat. Für Geld? Aus Rache für die Grausamkeiten, die er an ihrem Volk begangen hat? Oder um ihr Volk vor ihm zu schützen? Aber sie wird mit den Konsequenzen gelebt haben müssen. So, wie wir alle mit Konsequenzen leben müssen. Und entweder das Beste daraus machen, oder ein Leben lang in ihnen hängen bleiben. Auch das ist unsere Entscheidung. Auch mit Konsequenzen im Nacken sind wir nie allein. So wie Gott auch Simson nicht fallen lässt, ist er an unserer Seite.