Rahab. Verräterin oder Retterin?

Was hast du gedacht, als du die Geschichte von Rahab gelesen hast? Was für ein Bild hast du von dieser Frau? Hast du schon ein Urteil gefällt? Nach Bauchgefühl oder deinen persönlichen Erfahrungen?

Denn was ist Rahab denn nun? Eine Verräterin? Oder eine Retterin? Wohl eher sowohl das eine, als auch das andere. Aber ich war noch nie der Lage meine Familie vor dem Tod bewahren zu müssen. Oder der Versklavung. Ich darf in Frieden leben. Meine Stadt wird nicht von Feinden belagert. Wo überall auf der Welt geschieht aber genau das. Gerade jetzt! Wo auf der Welt müssen sich Frauen entscheiden wie sie handeln wollen, um ihre Familien zu retten?

Gewalt gibt es schon seit Kain und Abel. Haben sich Frauen mit ihr arrangiert? Machen sie nicht das Beste daraus und kümmern sich um ihre Familien? Versuchen zu retten, was zu retten ist? Auch hier in unserem Land, dessen Frieden nicht durch Krieg bedroht ist. Doch wohl in vielen Familien ein solcher herrscht. Auch zwischen Partnern. Rahab denkt an ihre Familie. Und ich kann sie verstehen. Würde ich in einer solchen Situation nicht auch nur den Blick für meine beiden Kinder haben? Zusehen, wie ich sie retten kann? Ich würde sie doch nicht für das große Ganze opfern können, oder? Nein, das kann sich mein Mutterherz nicht vorstellen.

Rahab denkt an ihre Familie. An den Gewaltstrukturen wird sich nichts ändern können. Für Rahab ist Gott an der Seite der Mächtigen. An der Seite der Israeliten. Aber ist das so? Ist Gott ein Gott der Mächtigen? Wir Christ:innen, die Jesus Christus kennen wissen: Nein, Gott ist ein Gott der Machtlosen. Er ist in den Schwachen mächtig. Aber Rahab, damals, natürlich musste es für sie den Anschein erwecken. Und ja, sie half doch auch den Mächtigen noch mächtiger zu werden. Zwar aus für mich guten Gründen. Aber heiligt der Zweck alle Mittel?

In der Geschichte von Rahab kämpft das Gottesvolk gegen die Philister. Natürlich ist Gott an der Seite seines auserwählten Volkes. Rahab ist sein Werkzeug, so empfinde ich es. Und Rahab ist noch mehr! Ausgerechnet in Josua, den Anführer der Israeliten verliebt sie sich. Und bekommt einen Sohn: Boas. Boas, der sich später in Ruth verlieben wird. So wird Rahab zur Ahnin Jesu. Das zeigt: wie Rahab gehandelt hat, war von Anfang an Gottes Wille. Sie war wie auserwählt. Und Rahab wandte sich Gott zu.

Egal ob die Entscheidung gelenkt von Gott war oder eine rein menschliche Entscheidung. Ich mag nicht über Rahab urteilen. Und kann es auch nicht. Denn viel zu komplex ist ihre Situation. Und viel zu unbekannt ist sie mir auch! Dafür danke ich Gott aus tiefstem Herzen. Dass ich niemals eine Entscheidung wie Rahab treffen musste. Und bete für alle Frauen auf dieser Welt, dass sie sich nicht verlieren in Zweifeln und Angst. Nicht in Bedauern oder Gewissensnöten. Wir alle, wir tun, was wir für richtig halten. Manchmal stellt es sich als falsch heraus. Aber dann ist es so. Nicht mehr zu ändern. Dann damit gut weiterleben zu können, das schenke uns Gott.