Vom vorschnellen Urteilen

Ich frag dich nicht, ob du das kennst: Du siehst eine Person und denkst, du wüsstest sofort, was für ein Mensch sie ist. Wo sie her kommt. Wie sie lebt. Was sie tut. Ich frag dich das nicht. Weil ich glaube, dass das leider etwas so menschliches ist, dass wir das alle mindestens ein Mal in unserem Leben getan haben. Vorschnell geurteilt.

So wie die Menschen in Jerusalem. Die die Jünger:innen Jesu beobachten und schnell eine Meinung haben: „Die müssen übergeschnappt sein. Oder betrunken. Was ist bloß in sie gefahren?“ Vielleicht, das muss ich zugeben, waren den Menschen in Jerusalem die Jünger:innen auch vorher nie ganz geheuer. Wer gibt schon sein Leben auf, verlässt Haus und Familie, um mit einem fremden Mann durch die Lande zu ziehen? Und vielleicht, das ist aber nur eine Idee von mir, waren die Jünger:innen auch zuweilen etwas überheblich. Ich lese es jedenfalls so in manchen Geschichten. Aber auch das ist wohl nur allzu menschlich.

Und vielleicht denken sich einige der Menschen, die nun die Jünger:innen beobachten: Der erste Eindruck zählt! Das Sprichwort wirst du auch kennen. Oft wird es im Zusammenhang damit gesagt, dass sich ein Verhaltensmuster wiederholt. „Siehste, der erste Eindruck zählt- hab ich dir doch gesagt, dass die verrückt sind.“

Ich denke, dieses Sprichwort ist falsch und verbaut uns viel Schönes! Weil wir vorschnell urteilen und uns festlegen. Weil wir unserem Gegenüber keine Möglichkeit lassen, sich in seinem ganzen Sein uns so vielseitig wie möglich zu begegnen. Ob der erste Eindruck nun ein guter oder schlechter war. Denn der erste Eindruck, der kann immer nur eine Momentaufnahme sein. Viel hängt davon ab, wie wir in dieser Situation da sind. Und unser Gegenüber. Wie und wo wir uns begegnen.

Wieviel verbauen wir uns, wenn wir dem ersten Eindruck trauen und uns darauf festlegen. Oder unsere Vorurteile siegen lassen. Auch die Menschen in Jerusalem werden sich eines Besseren belehren lassen müssen. Sie verstehen noch nicht, dass Gottes Geist mitten unter ihnen ist. So wie wir selbst es oft nicht wahrnehmen.

Das wünsche ich uns: dass wir offen sind, wenn wir anderen Menschen begegnen. Die Kraft in uns tragen, ihnen mit offenen Herzen zu begegnen und den Windhauch zu spüren, der da vom Geist vielleicht um uns weht.